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Mathilde Fibiger:
Clara Raphael.
Zwölf Briefe
Originaltitel:
Clara Raphael. Tolv breve. (1858)
Herausgegeben und übersetzt aus dem Dänischen
von
Nadine
Erler.
Mit einem Anhang: Der Herausgeber an den Leser
von Johan Ludvig Heiberg.
Verlag 28 Eichen, Barnstorf 2014. 104 S. 10,- €.
Format 12 x 19, 120 g, Softcover
ISBN: 978-3-940597-76-2
Email an den Verlag
Zum erstenmal in meinem Leben macht es mir Kummer, daß ich
kein Mann bin. Wie arm und inhaltslos ist doch unser Leben gegen das der Männer!
Ist es gerecht, daß die Hälfte der Menschheit von geistiger Beschäftigung
ausgeschlossen ist? Oder hat unser Herr uns wirklich aus geringerem Stoff
geschaffen als die Männer (was ich einen der interessantesten Herren hier in
vollem Ernst behaupten hörte)? Müssen wir uns also damit begnügen, automatisch
die triviale Arbeit auszuführen, die uns im Leben zugewiesen wird? Hat unser
Geist denn keine Kraft und unser Herz keine Begeisterung? O doch, aber das
eigentliche Leben in uns ist nicht zu Bewußtsein gekommen, unser Geist ist
gefangen, und das Vorurteil steht am Gefängnistor Wache!
Zur Rezension von Gabriele Haefs auf buecherfrauen.de
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Die hilfreichsten Kundenrezensionen Historische Miniatur oder
abgründiges literarisches Selfie?
Von Laura Gustavsen (27. Juli 2015). Quelle:
Amazon. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Mathilde Fibiger (1830-1872), eine Pionierin der dänischen Frauenbewegung,
schrieb diesen Briefroman im Alter von zwanzig Jahren. Er wurde zu einem
„Skandalerfolg“ und zum Auslöser der sogenannten „Clara Raphael-Fehde“,
einer heftigen literarischen Debatte über die gesellschaftliche Rolle der
Frau. Es ist eine spannende Sache, das stilsicher und lebendig geschriebene
Werk mit Blick auf die Entwicklung der Frauenrechte oder generell unter
einem historischen Blickwinkel zu lesen. Atemberaubend selbstsicher übt die
Hauptperson des Romans, die junge dänische Hauslehrerin Clara Raphael,
Kritik an ihren konventionell und materialistisch denkenden Zeitgenossen.
Sie schreibt ihre Briefe zur Zeit des Krieges zwischen Dänemark und Preußen
(1848-1851), und als leidenschaftliche Patriotin beurteilt sie alle Männer
nach dem Grad ihrer militärischen Einsatzbereitschaft. Keine Chance also für
einen jungen Grafen: Er vertritt die Auffassung, es sei Wahnsinn, gegen
einen so übermächtigen Gegner zu kämpfen. Hätten die Dänen dagegen den
preußischen Forderungen nachgegeben, könnten sie nun in „Ruhe und Frieden“
leben. Das empört nicht nur Clara, sondern hat für heutige Leser auch eine
beklemmend prophetische Qualität: Entsprechend verhielt sich die dänische
Regierung angesichts der nationalsozialistischen Okkupation im Jahr 1940.
Lässt man die historischen Aspekte und die in Dänemark viel besprochenen
biographischen Bezüge des Romans einmal außer Acht, eröffnen sich neue,
faszinierende Perspektiven. Schön, intelligent, selbstbewusst und eloquent
schießt Clara mit ihren Briefen gleichsam ein literarisches Selfie nach dem
anderen. Wie würden wir reagieren, wenn wir ihr am Arbeitsplatz, bei
Freunden oder in den sozialen Medien begegnen würden? Sie als mutige
Kämpferin gegen Engstirnigkeit und erstarrte Konventionen bewundern? Vor
ihrer Intoleranz, Kompromisslosigkeit und ihrer verächtlichen Haltung
gegenüber anderen Menschen zurückschrecken? Komplexe Prozesse einer
spätpubertären Selbstfindung vermuten? Der Fragmentcharakter des Romans, die
Subjektivität und die Einseitigkeit der Briefe (die Antworten der
Brieffreundin werden nicht mitgeliefert) fordern Leser/innen geradezu dazu
auf, produktiv zu werden und zu eigenen Interpretationen zu gelangen. Das
gilt nicht zuletzt auch für den überraschenden Schluss des Romans: Ein Griff
in die Requisitenkammer der Romantik? Ein Wunschtraum? Eine Utopie? Ein
verstörender Beweis für die Suggestionskraft von Narzissmus und Fanatismus?
Der Herausgeberin und Übersetzerin Nadine Erler ist zu danken, dass sie
dieses Werk erstmals ins Deutsche übertragen und so einem größeren
Leserkreis zugänglich gemacht hat. Das ansprechend gestaltete Büchlein
eignet sich nicht nur als Inspirationsquelle für eine Vielzahl von
Deutungen, sondern hervorragend auch als Reiselektüre oder als kleines
Geschenk.
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