Gelungene Burschen, diese Art
Punkte! Der alte Brenneke, mein Mathematiklehrer, pflegte freilich
zu sagen: „Wer sich keinen Punkt denken kann, der ist einfach zu
faul dazu!“ lch hab’s oft versucht seitdem. Aber just dann, wenn ich
denke, ich hätt’ ihn, just dann hab’ ich gar nichts. Und überhaupt,
meine Freunde! Geht’s uns nicht so mit allen Dingen, denen wir
gründlich zu Leibe rücken, daß sie grad dann, wenn wir sie mit dem
zärtlichsten Scharfsinn erfassen möchten, sich heimtückisch
zurückziehen in den Schlupfwinkel der Unbegreiflichkeit, um spurlos
zu verschwinden, wie der verzauberte Hase, den der Jäger nie treffen
kann? Ihr nickt; ich auch. –
Ein Barbier, der mit wenig Seife viel Schaum
schlagen konnte, war kürzlich unter die Literaten gegangen. Er hatte
großen Erfolg, wie ich hörte, trug bereits drei Brillantringe an
jedem Finger und wollte sich demnächst mit einer Köchin verheiraten,
die ohne Schwierigkeit ein einziges Eiweiß zu mehr als fünfzig
Schaumklößen aufbauschte, also auch noch was leisten konnte. –
Die hübsche stramme Bäuerin hat ihr hübsches
strammes Bübchen auf dem Schoße liegen, sein Gesichtchen nach unten
gekehrt. Sie lüftet ihm das Hemdchen; sie reibt ihm den Rücken; er
strampelt mit den Beinen vor lauter Behagen. „Oh, tu tu tu mit tein
ticken tinketen Popösichen!“ so ruft sie in mütterlich-kindischem
Stoppeldeutsch; und während sie dies tut, gibt sie dem Herzensbengel
bei jedem Worte einen klatschenden Schmatz auf die rosigen
Hinterbäckchen. –
Ach, meine Freunde! Wie viel Liebes und Gutes passiert uns doch in
der Jugend, worauf wir im Alter nicht mehr mit Sicherheit rechnen
dürfen! – |
Wilhelm Busch:
Eduards Traum & Hans Huckebein
Eine Erzählung, eine Bildgeschichte sowie eine
autobiographische Skizze
Herausgegeben von Olaf R. Spittel
Verlag 28 Eichen, Barnstorf 2010. 116 S. 12,- €.
Format 12 x 19, 131 g, Softcover
ISBN: 978-3-940597-48-9
Email an den Verlag
Inhalt
Wilhelm Busch ist der bekannteste deutsche
Grafiker - und wahrscheinlich dennoch einer der am meisten
unterschätzten deutschen Künstler. Denn er war ebenso ein
hervorragender Maler, ein begnadeter Schriftsteller, ein
tiefdringender Philosoph und zu alledem ein außergewöhnlich
bescheidener Mensch. In Deutschland neigt man dazu, bescheidene
Menschen zu unterschätzen und die Krakeeler an die Spitze
politischer Bewegungen zu hieven. Die Attribute
"Volkstümlichkeit" und "Humorist" haften ihm an - nicht zu
seinem Vorteil. Der vorliegende Band bietet einen winzigen
Querschnitt durch sein Schaffen, der den Leser zu einem
ebenso vergnüglichen wie tiefgreifenden Blick auf den Künstler
Wilhelm Busch einlädt.
Er enthält die phantastische Erzählung
"Eduards Traum", die Bildgeschichte "Hans Huckebein, der
Unglücksrabe" und den autobiographischen text "Was mich
betrifft".
Übrigens ist es nicht schlimm mehr, nun die Sache gedruckt
ist; denn, man mag sagen, was man will, der passendste Stoff, um Schrullen, die
sich nun mal nicht unterdrücken lassen, auf das bescheidenste drin einzuwickeln
und im Notfall zu überreichen, ist der Stoff des Papiers.
Ein Buch ist ja keine Drehorgel, womit uns der Invalide unter dem Fenster
unerbittlich die Ohren zermartert. Ein Buch ist sogar noch zurückhaltender als
das doch immerhin mit einer gewissen offenen Begehrlichkeit von der Wand
herabschauende Bildnis. Ein Buch, wenn es so zugeklappt daliegt, ist ein
gebundenes, schlafendes, harmloses Tierchen, welches keinem was zuleide tut. Wer
es nicht aufweckt, den gähnt es nicht an; wer ihm die Nase nicht grad zwischen
die Kiefern steckt, den beißt’s auch nicht.
Wilhelm Busch
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