Verlag 28 Eichen |
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Klauspeter Bungert Von der Faszination des Sports
Rodney Stone heißt der Erzähler dieser Geschichte, die Doyle
im malerischen Südostengland Anfang des 19. Jahrhunderts
spielen läßt.
Er entfaltet darin ein üppiges Panorama der frühen, von
Verboten bedrohten Epoche des modernen Boxsports. Er gibt
Einblick in eine den Standesdünkel des beschäftigungslos
gewordenen Adels nicht mehr akzeptierende Gesellschaft, und
er analysiert die Verfaßtheit einer sportfixierten Nation
zuzeiten der Bedrohung durch den übermächtigen Napoleon.
Die Zähigkeit, Leidensbereitschaft und Entschlossenheit der
Preisboxer wird in Beziehung gesetzt zu den englischen
Soldaten, denen es nach jahrelangen Rückschlägen zu Land
erst zu Wasser gelingen sollte, den Imperator von der Insel
fernzuhalten und sich die Vorherrschaft über die Meere zu
sichern. Der Held von Trafalgar, Admiral Nelson, bekommt ein
eigenes Kapitel.
Über diese äußeren Marker hinaus erklärt der Roman die
Faszination des Schriftstellers Doyle und wohl aller
Sportbegeisterten bis heute für den Leistungssport.
Körperliche Schönheit, geschlechtsunabhängig (unabhängig von
sexuellen Orientierungen übrigens auch), und die
Verkörperung der Grenzen dessen, was die Gattung Mensch
physisch und moralisch zu leisten vermag, bilden darin die
Mitte.
Doyle muß beim Schreiben ähnliche Strategien verfolgt haben
wie seine Preisboxer: mit Ausdauer Thema und Form taxieren,
vorausschauend reagieren, das Ziel auf bestmöglichem Weg
erreichen.
Ob er mit der Wahl der Krimi-Schauer-Nebenhandlung, die
gegen Ende zwei lange Rückblenden erzwingt und wie
Opernstoffen des frühen 19. Jahrhunderts entnommen wirkt,
optimal beraten war, darf allerdings hinterfragt bleiben.
Ungeachtet dieser Einzelheit trägt die von Standesdünkel
unbeeindruckte Freundschaft des Erzähler Rodney zu Jim, dem
sportlichen, aus einfachem Hause stammenden Schmiedegehilfen
und Pflegling von Box-Exchampion Jack Harrison, auf
hinreißende Weise über das ganze Buch.
Übrigens war der Sport, das zeigt das an historischen
Tatsachen orientierte Buch, bereits in dieser uns entrückt
vorkommenden Zeit von kriminellen Machenschaften durchsetzt.
Noch nicht vonseiten der Sportler selber, aber vonseiten
manch eines, der sein Vermögen auf sie verpfändete. Zu den
anrührend charmanten Episoden des Romans gehört die leider
eher utopische Szene, in der der 17jährige Jim die dem Suff
verfallene Exschauspielerin Polly Hinton vom Alkohol
befreit. Wie ein grundsätzlich friedensfixierter Mensch wie
Rodney Wehrertüchtigung als ein unverzichtbares Element
einer Gesellschaft legitimiert, erhält in der angespannten
Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts dagegen eine eher
beunruhigende Aktualität.
Die mustergültig redigierte deutsche Erstübersetzung
entstand als Teamarbeit im Rahmen der berufsbezogenen
Praktikumsseminare der Heinrich-Heine-Universität im
Europäischen Übersetzerkollegium Straelen unter Mitwirkung
und Leitung von Heike Holtsch. Es bleibt zu hoffen, daß von
dieser Kooperation einer Uni mit einem Belletristikverlag
eine Schubwirkung ausgeht für eine ausgedehntere Rezeption
Doyles auch im akademischen Rahmen. Beim Niveau dieser
Literatur ist das lange überfällig.
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