Verlag 28 Eichen



 

Cover: Olaf R. Spittel (2014), unter Verwendung des Gemäldes
„Lord Ribblesdale“ (1902) von John Singer Sargent

Sir Arthur Conan Doyle: Mr. Raffles Haw.
Roman. Originaltitel: The Doings of Raffles Haw (1892)
Aus dem Englischen von Bastian Ludwig.
Sir Arthur Conan Doyle: Ausgewählte Werke, Band 39
Herausgegeben von Olaf R. Spittel
Verlag 28 Eichen, Barnstorf 2014. 164 S. 16,- €.
Format 12 x 19, 183 g. Softcover
ISBN: 978-3-940597-73-1


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Leseproben        

"Es war also nicht verwunderlich, dass Robert McIntyre mit erheblicher Neugier hinunter auf das Anwesen blickte, besonders auf die rauchenden Schornsteine, die mit Gardinen verhangenen Fenster und die anderen Anzeichen, die darauf hinwiesen, dass der Bewohner eingetroffen war. Jenseits des Hauses glitzerten auf einer großen Fläche Gewächshäuser wie ein See, und hinter diesen lagen in langen Reihen Ställe und Nebengebäude. Fünfzig Pferde waren in der vorigen Woche durch Tamfield gekommen und die wurden in Anbetracht des Umfangs der Vorbereitungen auch benötigt. Wer oder was konnte dieser Mann sein, der sein Geld mit solch verschwenderischer Hand ausgab? Seinen Namen kannte niemand. In Birmingham wusste man genauso wenig wie in Tamfield, was seine Herkunft oder den Ursprung seines Reichtums anging. Robert McIntyre brütete müde über diesem Problem, während er an dem Gattertor lehnte und die blauen Wolken seines Tabaks in die frische, ruhige Luft paffte."

"Ich habe Grund, alle zufällig entstandenen Freundschaften zu fürchten und ihnen zu misstrauen. Zu oft hat sich herausgestellt, dass sie tatsächlich im Vorfeld mit einem schäbigen Ziel vor Augen sorgfältig geplant worden waren. Guter Gott, was für Geschichten ich Ihnen erzählen könnte. Eine Dame wird von einem Stier verfolgt. Ich riskiere mein Leben, um sie zu retten, und erfahre später, dass der ganze Vorfall von ihrer Mutter eingefädelt worden war, und dass sie den Stier stundenweise gemietet hatte, um uns auf effektvolle Art miteinander bekannt zu machen. Aber ich möchte Ihr Vertrauen in das Wesen der Menschen nicht erschüttern. Ich selbst habe einige üble Erschütterungen erlebt. Ich betrachte wohl alle, die mir zu nahe kommen, mit einem voreingenommenen Auge."

„Sehen Sie, auch als ein Mann mit Ihren Ansichten über die Wertlosigkeit von Reichtum, Ansichten, die, da habe ich keinen Zweifel, sehr vernünftig sind und für Sie sprechen, müssen Sie es doch akzeptieren, dass ein Mann, der sich im Besitz einer gewaltigen – nun, sagen wir, einer beachtlichen – Geldmenge befindet, verpflichtet ist, diese Geld in Umlauf zu bringen, auf dass es der Allgemeinheit dadurch besser geht. Das ist das Geheimnis, warum ich mich nach außen hin so schmücke. Ich muss meinen ganzen Einfallsreichtum aufbringen, um all mein Einkommen auszugeben, es dabei aber in rechtmäßigen Bahnen zu halten. Es ist beispielsweise sehr einfach, Geld zu verschenken, und selbstverständlich könnte ich auf diese Weise meine Überschüsse, oder zumindest einen Teil meiner Überschüsse, loswerden, aber ich habe nicht den Wunsch, irgendjemanden in Armut zu stürzen oder durch unüberlegte Wohltaten Unheil anzurichten. Für alles Geld, das ich ausgebe, muss ich einen Gegenwert einfahren. Sie verstehen, was ich meine, nicht wahr?“

„Ich wurde nicht auserwählt, solch immense Macht auszuüben, nur damit ich ein glückliches Leben führen kann. Das kann ich einfach nicht glauben. Nun, können Sie nicht Ihre Fantasie einsetzen, Robert, um eine Methode zu entwickeln, mit der ein Mann, der die Kontrolle über, nun ja, lassen Sie uns des Argumentes wegen sagen, unbegrenzten Reichtum besitzt, die Menschheit fördern kann, ohne irgendjemandem die Unabhängigkeit zu nehmen oder in irgendeiner Weise Schaden anzurichten?“

Originalausgaben:

Erstveröffentlichung der Original-Buchausgabe: Cassell & Company, London, Paris & Melbourne 1892.

Erste Buchausgabe in den USA:  Lovell, Coryell & Company, New York 1892.

Erste Buchausgabe des Originals für den Kontinent: Heinemann and Balestier, Leipzig 1892.

Erstveröffentlichung des Originals in Fortsetzungen: 1891 / 1892 in Answers, New York Sun, Boston Sunday Herold und Pitsburg Commercial Gazette (alle USA).

 

 

Bedeutende Gleichniserzählung, Klauspeter Bungert, veröffentlicht am 21. Januar 2015

Zwischen zweien seiner umfangreichsten historischen Romane, möglicherweise angeregt durch ein Kapitel in Die Abenteuer des Micha Clarke, verfaßte Doyle einen in Stil und Intention gänzlich anders ausgerichteten Kurzroman. Mr. Raffles Haw ist denn auch mehr eine Parabel als ein episches Großformat. Es erinnert mich mehr an amerikanische Short-Storys jüngeren Datums als an Edgar Allen Poe, der von Daniel Stashower in seiner hier mehr als oberflächlichen Biografie in abwertender Tendenz als Ideengeber zitiert wird. Poes magere Erzählung Die Entdeckung des Herrn van Kempelen, ein fiktiver Zeitungsbericht, der zur Hälfte aus Präliminarien besteht und von der Überführung eines alchimistischen Goldherstellers berichtet, mag in den wissenschaftsfiktionalen Teil des Kurzromans eingeflossen sein, aber Poe und Doyle verhalten sich hier wie Stichwortlieferant und Antwortgeber, Doyle erkennt erst die enormen Potentiale, die im Thema stecken, und schöpft sie aus. Mehr als von Poe und dem Alchemistenkapitel im Clarke-Roman hat der Roman etwas vom Dritten Buch von Swifts Gullivers Reisen, dem El Dorado-Kapitel in Voltaires Candide und, last but not least, den Gleichniserzählungen des Neuen Testamentes - Parallelen, in deren Reihe sich das schnell hingeworfene Opus stellt und unschwer behauptet. Der erzählerische Trick besteht wie prinzipiell bei Gleichniserzählungen darin, daß von einem Punkt, den es so nicht gibt, die Welt neu gesehen, hinterfragt und gedanklich umgestaltet wird. Raffles Haw (raffle bedeutet auf deutsch übrigens Verlosung, Tombola) erweist sich als reichster Mann der Welt, der das Geheimnis der Alchemisten gelöst hat, Blei in Gold zu verwandeln, und nun in einem Dorf bei Birmingham einen Palast errichtet, um sein unerschöpfliches Geld gemeinnützig anzubringen und in seinem angegliederten Laboratorium den kostbaren Rohstoff weiterzuproduzieren. Ähnlich wie Swifts Unsterbliche auf der fliegenden Insel in Gullivers Reisen die Schrecken nimmerendenden Daseins, durchlebt Raffles Haw neben den Höhen und der Machtfülle die Niederungen einer aufgrund seines Reichtums ausgegrenzten Existenz bis zur bitteren Neige. Doyles (beinahe Thesen-)Roman (wären da nicht seine menschlich anrührenden Zuspitzungen und kontrastreichen Personenporträts) bietet reichlich Diskussionsstoff zu folgenden Themen: Eigentum verpflichtet - Kapitalismus kontra Grundeinkommen - Caritas kontra Sozialismus - wenn Grundeinkommen, wo kämen die Mittel her? - wie wirkte sich ein Grundeinkommen auf das Verhalten des einzelnen aus? - wie wirkt sich die Tatsache eklatanten Mehrbesitzes auf soziale Bindungen aus? Übergeordnete politische und psychologische Themen springen den Leser auf nahezu jeder zweiten Seite an. Doyle hat in seiner Novelle Der Parasit ein stilistisches Gegenstück zu Raffles Haw geschaffen. Beide führen modellhaft mentale Prozesse vor, und je nach thematischer Vorliebe wird man das ältere oder das jüngere Werk bevorzugen. Ich moderiere von Zeit zu Zeit Literaturseminare über das Werk Conrad Ferdinand Meyers. Sollte eine geeignete Runde zusammenfinden, werde ich auch einmal einen Doyle empfehlen und mit diesem unbekannten, doch für viele Züge des Denkers und Schriftstellers charakteristischen Kurzroman beginnen. Auch als Schullektüre für höhere Jahrgänge wäre das Buch hervorragend geeignet.

Quelle: https://www.amazon.de/review/RVL1GKLS0OG8W/ref=pe_1604851_57868791_cm_rv_eml_rv0_rv

 

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