Verlag 28 Eichen |
Novellistische Reflexion zur Wissenschaft der Zeit
10. Februar 2010
Von
observador
Vorweg ein Dank an den Verlag 28 Eichen, dass er Werke von
Conan Doyle über die Sherlock Holmes Erzählungen und Romane
hinausgehend verlegt. So kann sich der Holmesianer ein
umfassenderes Bild über die faszinierende geistige und
literarische Welt Doyles machen, ohne dafür sein Englisch
herausfordern zu müssen (was etwa bei den kongenialen
Holmes-Verfilmungen mit Jeremy Brett unerlässlich ist!). Die
Novelle "Der Parasit" (1894) ist sehr gut, wenn auch
sparsam, ediert.
Ich persönlich kenne keinen Schriftsteller, der wie Conan Doyle die wissenschaftlichen Ansätze seiner Zeit so sehr zum zentralen Ausgangspunkt seiner Literatur gemacht hätte. Während es bei Sherlock Holmes die Kriminalistik auf der forensischen Basis eines Joseph Bell ist, bei dem Doyle in Edinburgh studiert hat, ist es in "Der Parasit" die frühe Psychologie, genauer die Hypnose, die der Arzt Doyle zum Anlass nimmt für seine literarischen Reflexionen und Fortspinnungen. Scharfsinnig erfasste Doyle, dass oft körperliche Defizite (hier: der weiblichen Hauptfigur) Ausgangspunkt für das kompensatorische Bestreben sein können, Macht über andere Menschen zu gewinnen. Darüber hinaus werden "dunkle" psychische Tiefenstrukturen, die das viktorianische Zeitalter sicher noch mehr bedeckt halten wollte als unsere Welt, freigelegt. Literatur auf der Höhe der sich zeitgleich sammelnden Erkenntnisse Sigmund Freuds! Literarisch ist mir nur ein kleiner Lapsus aufgefallen, als Doyle zweimal relativ knapp hintereinander einen Menschen-Hund-Vergleich (über)strapaziert. Ansonsten glänzend geschrieben, mindestens auf dem Niveau der Holmes-Geschichten, an Spannung übertrifft "Der Parasit" wahrscheinlich etliche von ihnen. Meine absolute Empfehlung!
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